top of page

Aufwachen! Den Traumjob gibt es nicht

Den heutigen Beitrag beginne ich mit ein paar Klassikern: „Ich tue, was mir Spaß macht.“ – „Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“ – „Wenn deine Arbeit keinen Spaß macht, musst du den Job wechseln.“ Solche Aussagen kennt bestimmt jeder von Euch, zum Beispiel aus dem Vortrag eines Karriere-Coaches oder aus einem Zeitungsartikel.


Die Geschichten laufen mehr oder weniger immer gleich: Da ist jemand, der - weil es zum Beispiel die Eltern oder das Bankkonto so gewollt haben - Beruf XY gelernt oder Unternehmen XY aufgebaut hat. Jahre und Jahrzehnte vergehen, in denen die Karriere okay bis gut läuft. Doch plötzlich merkt der Betroffene, dass seine Tätigkeit furchtbar ist und er eigentlich nie Schreiner, Rechtsanwalt oder Bankmanager sein wollte.



Die Konsequenz: Er gibt die alte Tätigkeit auf und startet in seinem Traumjob richtig durch. Die wiederkehrende Moral von den Geschichten: Du musst einen Job finden, den du liebst; Arbeit muss Erfüllung sein; man muss seiner Leidenschaft folgen.


Unglaubliche Geschichten aus dem Netz


Das lässt nur ein Stück weit die Realität außen vor. Ich habe im Internet nach solchen Geschichten gesucht und einige Beispiele gefunden, die nach dem oben erklärten Schema gelaufen sind:

  • Ein erfolgreicher Herzchirurg aus der Schweiz stellte mit 57 Jahren fest, dass er am liebsten LKW-Fahrer sein will. Er widmete sich dem Transport von Lebensmitteln quer durch Europa. Die Medien griffen die Geschichte dankbar auf und berichteten über die Erlebnisse des Arztes auf den Straßen Europas.

  • Eine Managerin schaffte es in einem großen Energiekonzern in einem sehr jungen Alter zur Führungskraft. Weil sie "alles erreicht" hatte, kündigte sie und wurde Golflehrerin.

  • Ein Investment-Banker hatte genug von Reisen nach London, New York und Tokyo. Er „hatte den Blick fürs Wesentliche verloren“ und verkauft heute Bio-Lebensmittel.

Tolle Geschichten, nur habe ich ein Problem damit, welches der Spiegel-Autor Volker Kitz durch eine Frage gut auf den Punkt gebracht hat:


„Wäre das auch umgekehrt gegangen?“


Hätte sich ein Energiekonzern also dazu entschieden, einer Golflehrerin eine Chance im Management zu geben? Hat der nette Verkäufer aus dem Bio-Supermarkt die Möglichkeit, sich auf den Chefsessel einer Bank zu setzen? Was ist mit dem LKW-Fahrer, der die Fahrerkabine gegen den OP-Saal eintauschen möchte?


Versteht mich nicht falsch. Ich gönne es den Leuten aus den genannten Geschichten, dass sie Tätigkeiten gefunden haben, mit denen sie zufrieden sind. Ich kenne persönlich Unternehmensberater, die irgendwann lieber Zeit mit der Familie verbringen wollten als jeden Tag mehr als 10 Stunden zu arbeiten. Meine Kritik richtet sich auch nicht an Menschen, die aus- oder umgestiegen sind, sondern eher an Coaches, die solche Beispiele dankbar aufgreifen, um dem Publikum zu zeigen, dass man unbedingt den Job wechseln muss, wenn die Leidenschaft/der Spaß fehlt.


Denn diese Ratgeber übersehen eine Tatsache, die deutlich wird, wenn man versucht, die Geschichten umzudrehen. Faktoren wie die Ausbildung, das eigene Vermögen, das Alter, der Körper und das familiäre Umfeld sorgen in vielen Fällen dafür, dass man eben nicht den Traumjob haben kann.


Wer jetzt einen Master in Ingenieurwesen macht, wird in diesem Leben kein Notar mehr. Wer die Einnahmen aus der Firma braucht, um ein Haus abzubezahlen, wird nicht plötzlich Tauchlehrer in Curacao. Wer den Eignungstest nicht schafft, wird nicht Polizist. Und wer eine Familie zu ernähren hat, gibt seinen Busfahrerjob nicht auf, um mit der Garagenband auf Kneipentour zu gehen.


Träumen erlaubt, aber ...


Soll heißen: Es gibt für die Mehrheit der Leute Umstände, die es ihnen nicht erlauben, den Job nur nach dem Faktor Spaß zu wählen. Einen Ausstieg muss man sich leisten können.


Davon abgesehen: Auch ein „Traumjob“ macht nicht immer so viel Freude, wie man vielleicht denkt. Auch das ist etwas, das mich bei diesen Diskussionen um den Spaß am Job stört: Es wird eine unmöglich zu erfüllende Erwartungshaltung geweckt, wodurch Enttäuschungen zur Tagesordnung werden. Plötzlich ist kein Job mehr gut genug, sofern er nicht zum vollkommenen Glück führt.


Ich selbst bin Entrepreneur, habe viel Spaß dabei und ermutige Menschen, selbst Unternehmen zu gründen. Dabei wiese ich aber darauf hin, dass das nicht immer Spaß macht. Bei der Florus sorgen wir ja dafür, dass der Entrepreneur viele Dinge, die keinen Spaß machen, nicht mehr selbst erledigen muss. Aber selbst dann werden Dinge übrigbleiben, die keinen Spaß machen.


Und ich möchte wetten, dass das überall so ist, egal ob beim LKW-Fahrer, beim Profifußballer oder beim Tierarzt. Was soll man also tun?


Meine Empfehlung:


Setzt Euch nicht unter Druck, indem Ihr nach einem Traumjob sucht, der Euren Erwartungen am Ende nicht standhalten kann. Ihr werdet in Eurer Karriere, egal was Ihr macht, immer Dinge finden, die keinen Spaß machen. Sucht aber nicht verkrampft nach einer Arbeit, die „Erfüllung“ bringt. Findet Euch damit ab, dass es den perfekten Job nicht gibt – das muss ja nicht heißen, dass alle Jobs furchtbar sind und Ihr die Gelegenheit zum Umstieg nicht nutzen dürft.


Macht lieber das, was Ihr tut, mit Spaß. Geht positiv an die Eure Tätigkeit heran und überlegt Euch, wie Ihr Eure Fähigkeiten so einsetzen könnt, dass sie Euch den Job erleichtern.


Mir fällt da zum Beispiel ein Unternehmer ein, der einen Familienbetrieb erbte und nach Jahren zu dem Entschluss kam, dass er lieber professioneller Speaker sein will. Ich habe ihn als sehr redegewandten Menschen erlebt, der sich prima verkaufen kann. Was würde also dagegensprechen, diese Talente im Vertrieb einzusetzen? Zumindest würde dann ein über Generationen gewachsenes Unternehmen mit mehreren Mitarbeitern nicht einfach zugesperrt werden.


Zu verlieren habt Ihr mit einer positiven Einstellung zu Eurer aktuellen Tätigkeit auf jeden Fall nichts, denn die Alternative wäre, mit einer negativen Einstellung an die Dinge heranzugehen und ich bin mir sicher, dass das noch niemandem geholfen hat. Leichter wird das, wenn man sich klar wird, dass vollkommenes Glück die falsche Messlatte für den Job ist.


Das heißt aber nicht, dass es für Euren Job keinen „Spaßknopf“ gibt.

AKTUELLE BEITRÄGE
bottom of page