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Der Mut zur Lücke lohnt sich nicht

Bei der Lektüre der Wochenendzeitung und der dazugehörigen Werbebeilagen hat es mich wieder befallen: Dieses Gefühl der Leere, die Gewissheit, dass etwas fehlt, dass irgendetwas absolut nicht so ist, wie es sein sollte.


Im Regionalteil befinden sich Gutscheine für das örtliche Volksfest, es gibt zum Beispiel eine Ermäßigung beim „Auto Scooter“ und beim Kauf einer „Curry Wurst“ eine Portion Pommes umsonst. Der Supermarkt preist unterdessen „Thunfisch Filets“ an, während als Vorspeise die „Buchstaben Suppe“ empfohlen wird. Ich glaube, ich brauche erstmal die „Kopfschmerz Tabletten“ aus dem Prospekt der Apotheke.


Ok, ich vermute, ich habe mein Problem verdeutlicht: Es geht heute um die völlig verkehrte und unsinnige Trennung von Wörtern, die eigentlich zusammengeschrieben werden – „Deppenleerzeichen“, wie man sagen könnte.



Doch wie konnte es dazu kommen?


Eine der spannendsten Errungenschaften unserer Sprache ist die Möglichkeit, Nomen fast beliebig oft miteinander zu verketten können und dadurch neue Wörter zu kreieren. Das ist eine ziemlich praktische Geschichte: Aus der „Reparatur der Waschmaschine“ wird so zum Beispiel die „Waschmaschinenreparatur“, wahlweise erweiterbar auf, sagen wir, „Waschmaschinenreparaturrechnung“.


Einige dieser „Bandwürmer“ haben es sogar in den Duden geschafft: Steuervergünstigungsabbaugesetz, Donaudampfschifffahrtsgesellschaft oder Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung.


Letzteres ist übrigens das längste Wort im Duden, wobei das nicht bedeutet, dass schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Der „Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsmahnbescheid“ war aber wohl selbst der Duden-Redaktion zu viel.


Wer sich für Sprachen interessiert, kann ja mal eines dieser Kettenwörter durch ein Übersetzungs-Tool jagen und sich ansehen, wie viele „di“, „de“ oder „of“ in anderen Sprachen nötig sind, um diese Wortungeheuer darzustellen.


Verständlich wird also, dass auch für den Deutschen bei solchen Riesenwörtern die Übersicht verloren geht. Abhilfe schafft hier der Bindestrich, der nichts Anderes als eine Krücke ist, die für leichtere Lesbarkeit sorgt: Steuervergünstigungs-Abbau-Gesetz, Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft oder Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Versicherung sind ebenfalls erlaubte Schreibweisen der oben erwähnten Beispiele. Ob er einen Wurm bildet oder mit Strichen koppelt, bleibt dem Schreiber überlassen.


Es gibt allerdings einen Sonderfall, auf den mich der Autor Bastian Sick gebracht hat: Um dem Leser zu verdeutlichen, ob es sich bei „Druckerzeugnissen“ um die Leistungsbewertung für die Angehörigen eines immer seltener werdenden Berufsstandes oder einen Oberbegriff für Zeitschriften, Kataloge und Ähnliches handelt, wird erst mit dem Bindestrich klar: „Drucker-Zeugnisse“ oder „Druck-Erzeugnisse“.


Aber ich schweife ab. Warum ist, trotz des Bindestrichs, die Lücke plötzlich so beliebt?


Ich habe mal einen ehemaligen Studienkollegen gefragt, der sich auf Marketing spezialisiert hat. Seine Aussage fand ich merkwürdig: Lange Wörter könne man selten in einer Zeile unterbringen und außerdem würden sie nicht gut aussehen. Mein Einwand mit dem Bindestrich änderte wenig. Das sei nicht ästhetisch und sehe einfach nicht gut aus.


Und an dieser Stelle muss ich einfach sagen: Nein. Nein, ich finde es nicht gut, wenn unsere Sprache verstümmelt wird, nur weil vermeintliche Werbeexperten meinen, der Verbraucher sei mit „Spargelcremesuppe“ überfordert, während „Spargel Creme Suppe“ den Umsatz nach oben schnellen lässt. Ich finde: Am besten sehen Wörter aus, wenn sie richtig geschrieben sind.


Warum schreibe ich das hier? Man könnte meine Einwände als Korinthenkackerei abtun und mich fragen, ob ich eigentlich nichts Besseres zu tun hätte. Und mir ist klar, dass kein Unternehmen von der Insolvenz bedroht ist, nur weil „Rohrreinigungs Dienst“ auf den Firmenfahrzeugen steht.


Ich möchte hierzu meinen ehemaligen Chef zitieren: „Wir werden es nicht schaffen, bei einer einzigen Sache um 100 Prozent besser zu sein als die Konkurrenz. Aber wir können 100 Dinge finden, bei denen wir einen Extraschritt machen und dadurch um ein Prozent besser sind als die Konkurrenz.“


Und das finde ich auch. Warum etwas falsch machen, wenn es ohne großen Aufwand auch richtig geht? Wieso soll ich als Kunde einem „Versicherungs Makler“ vertrauen, der nicht einmal seinen eigenen Berufsstand schreiben kann?


Außerdem weigere ich mich, meine Schuhe in einem Geschäft zu kaufen, welches offenbar auch Menschen im Angebot hat.


Wenn Sie also einen neuen Prospekt entwerfen oder eine Werbeanzeige, dann haben Sie Mut zum Strich.

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