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FuckUp Nights Nürnberg Vol. 6: Von dummen Fehlern

„Der Vorteil der Klugheit besteht darin, dass man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.“ Kurt Tucholsky gehörte nicht zu den Sprechern bei der 6. Nürnberger FuckUp Night, dennoch traf sein Zitat, welches an der Wand des Veranstaltungssaals im Gewerbemuseum Nürnberg prangt, auf breite Zustimmung unter den Sprechern und Gästen am Abend des 28. September 2017.


Dumm waren die drei Sprecher des Abends mitnichten, gewährten aber Einblicke in Momente ihrer unternehmerischen Karrieren, in denen es ziemlich dumm für sie lief. Denn genau das macht die FuckUp Nights weltweit aus: Unternehmer lassen die üblichen Erfolgsgeschichten zuhause und bekennen sich offen zu ihren Fehlern. Sie helfen damit jungen Gründern, einige gefährliche Klippen zu umschiffen und können selbst ein Stück weit mit der Vergangenheit abschließen.



Das war auch die Motivation für den Auftritt von Benjamin Seßner, der die Veranstaltung eröffnete. Der heute in der Werbebranche erfolgreiche Unternehmer ließ seine ersten unternehmerischen Schritte Revue passieren. Im Alter von 18 Jahren wählte er die Branche für das erste eigene Unternehmen pragmatisch: „Ich habe geschaut, wo es Geld, Musik und Frauen gab – also ging ich ins Eventmanagement.“


Dabei lief es gut, die Events waren erfolgreich und die ersten eigenen Einnahmen sprudelten. Mit einem weiteren Partner wollte Seßner dann richtig durchstarten; weg von DJ-Auftritten in Club hin zu großen Musikfestivals unter freiem Himmel. Der Vorteil daran lag auf der Hand: Während das Event im Club nur an einem Abend stattfindet, geht ein Festival über mehrere Tage und kann ein größeres Publikum mobilisieren.


Dass die erste erfolgreiche Festivalreihe nach einigen Events von der Gemeinde am ursprünglichen Standort untersagt wurde, stellte für Seßner weniger den ersten FuckUp als vielmehr eine Chance dar, es noch größer, noch besser und noch lukrativer an einem neuen Standort aufzuziehen. Also buchte er Künstler und Caterer, betrieb Werbung, kalkulierte mit mehr und mehr Zuschauern und fieberte auf den Eröffnungstag des Festivals hin.



Hier folgte die böse Überraschung, denn als die Tore zum Festivalgelände geöffnet wurden, strömten keine Menschenmassen hinein. Tröpfchenweise kamen deutlich weniger Gäste als erwartet, sodass Herr Seßner am Ende des Wochenendes mit mehreren Hunderttausend Euro Schulden dastand. Die Insolvenz wendete er ab, weil er seinen Bankberater, übrigens ein Gast des Festivals, vor die Wahl stellte: Eine Zahlungsvereinbarung auf Raten oder die unvermeidliche Insolvenz.


Getreu seines Erfolgsgeheimnisses „Never give up“ hat Seßner seine Schulden bis heute weitgehend abgetragen. Besagtes Festival wird unter neuer Leitung bis heute organisiert und ist erfolgreich.


Während Benjamin Seßner also bei der Planung der Zuschauerzahlen die Bodenhaftung verlor, hob der zweite Sprecher des Abends, Uwe Natterer, sogar an Ort und Stelle dank des mitgebrachten Trampolins ab. Der kurzfristig eingesprungene Kalchreuther berichtete von seinem FuckUp mit einem Trampolinvertrieb.


Bis Anfang der 90iger war Natterer noch Polizist und mutete seinem Körper durch die hohe Belastung viel zu. Schlimme Rückenschmerzen trieben ihn von einem Arzt zum nächsten, ehe er durch Zufall feststelle, wie angenehm sich Trampolinspringen auf seine Gesundheit auswirkte. Damit wurde aus dem Polizisten ein Unternehmer, der Trampoline vertrieb und eigene Läden unterhielt.


Das funktionierte gut, bis die Herstellerfirma sich eine Unternehmensberatung ins Haus holte und im Zuge der Umstrukturierung den Vertrieb drastisch umstellte. Die neuen Konditionen waren für Uwe Natterer absolut inakzeptabel, sodass er beschloss, die eigene Fachkompetenz zu nutzen und selbst Trampoline zu entwerfen und herzustellen zu lassen.


Sein FuckUp: Ein Hersteller, der nicht die Qualität lieferte, die Natterer sich vorstellte, aber plötzlich teure Produktentwicklungskosten in Rechnung stellte. Wer bei einem Trampolin auf dem Boden aufkommt, kann aber Schwung nehmen und wieder abheben. Und so fand Natterer einen neuen Hersteller und ist sogar mit seinem ursprünglichen Lieferanten wieder in Kontakt. Der erlebe nach der Umstrukturierung mit der Unternehmensberatung nämlich seinen eigenen FuckUp.


Über den Vortrag von Armin Rupp, dem dritten Sprecher des Abends, sollen hier nur wenige Worte verloren werden, weil unser Blog sich an anderer Stelle bereits damit beschäftigt hat. Es ging um die Currywurst: Rupp stieg 2016 in ein Franchise-System ein und orderte zwei kleine Foodtrucks für den mobilen Verkauf von Currywürsten.


Nun hat Kurt Tucholsky sich zwar über die Möglichkeiten von klugen Menschen geäußert, sich dummzustellen und umgekehrt, aber keine Worte verloren über kluge Menschen, die andere Menschen blenden und übers Ohr hauen. Literarisch könnte man Rupps Erlebnis wohl am ehesten bei Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ verorten.


Armin Rupp ließ sich nämlich von einem Franchise-Geber täuschen, der sein Unternehmen überhöhte und Umsätze mit dem Currywurstverkauf versprach, die unmöglich zu realisieren sind. Unter anderem verschwieg der Franchise-Geber, wie schwierig es allein aus rechtlicher Sicht ist, geeignete Stellplätze für das Imbissmobil zu finden.



Weil darüber hinaus auch der Hersteller des Foodtrucks in bester Dieselskandal-Manier beim TÜV trickste, erlebte Rupp schließlich seinen FuckUp. Aufgrund eines Konstruktionsfehlers sind die Fahrzeuge nicht verkehrstauglich und sogar lebensgefährlich für den Fahrer.


Zu den Details empfehle ich die Einträge in diesem Blog zum Foodship-FuckUp:



Im Endeffekt steht Armin derzeit mit zwei unbrauchbaren Fahrzeugen da, die weiter Kosten verursachen, während der Geschäftsbetrieb bereits eingestellt und abgemeldet wurde. Mit dem Fahrzeughersteller und dem Franchise-Geber wurden Gerichtsverfahren vom Zaun gebrochen, die allerdings mehrere Jahre dauern werden.


Am Ende des Tages – oder besser der Nacht – bekam das Publikum einmal mehr vor Augen geführt, dass es für Unternehmer viele Fallstricke gibt: Den schmalen Grat zwischen gesundem Optimismus und Selbstüberschätzung. Die fatalen Auswirkungen schlechter Lieferanten. Oder Umstände, die trotz intensiver Prüfung niemand auf dem Zettel hatte.


Und trotzdem, da waren sich die drei Sprecher einig, lohnt es sich, es als Unternehmer zu versuchen. Trotz ihrer FuckUps haben sie nicht aufgegeben und sind heute erfolgreiche Unternehmer. Das könnte man als kitschig betrachten oder als einzig sinnvolle Einstellung. Und trotz des Erfolges sind sie auch vor weiteren FuckUps nicht gefeit, sie wissen aber besser, wie man mit Rückschlägen umgeht und Fehler aus der Vergangenheit vermeidet.


Denn, und hier verweise ich nochmal auf Kurt Tucholsky:


„Dumme und Gescheite unterscheiden sich dadurch, dass der Dumme immer dieselben Fehler macht und der Gescheite immer neue.“

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