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Gescheit scheitern

Seit 2016 organisiere ich mit der Florus regelmäßig "FuckUp Nights" in Nürnberg und Flensburg. Die FuckUp Nights sind eine Veranstaltungsreihe, die sich mit dem Scheitern von Unternehmern auseinandersetzt. Hintergedanke: Wer den Mut hatte, sich als Unternehmer zu versuchen, verdient im Falle eines Fehlschlags keinen Spott, sondern die Chance, es beim nächsten Versuch besser zu machen.

 

Den folgenden Text habe ich im "FuckUp-Guide" veröffentlicht, eine Zeitschrift, die anlässlich der ersten FuckUp Night in Nürnberg im April 2016 an das Publikum verteilt wurde. Ich habe mich dazu entschieden, den Text nun online zu veröffentlichen, damit möglichst viele Interessenten ihn lesen können. In Zukunft plane ich, weitere, exklusive Inhalte zu den FuckUp Nights in diesem Blog zu veröffentlichen.

 

„Aus Schaden wird man klug“, „Aus Fehlern lernt man“ oder „Was dich nicht umbringt, macht dich härter“ – wenn man versucht, sich mit unserem Verhältnis zu Fehlern und Tiefschlägen auseinanderzusetzen, stößt man schnell auf diese Phrasen. Der Tenor ist dabei immer der gleiche: Wenn etwas aus welchem Grund auch immer schlecht läuft, ist das eigentlich trotzdem gut. Wenn es die ganze Zeit bergab geht, muss es auch irgendwann wieder aufwärtsgehen. Sind das sinnvolle Lebensweisheiten oder gängige Euphemismuslügen? Muss man wirklich erst „auf die Schnauze fallen“, damit man wirklich erfolgreich sein kann?

Zum Thema Fehler können wir zunächst feststellen: Sie passieren jedem von uns – Handwerkern, Managern, Ärzten, Sportlern, Politikern, Individuen, Gruppen und Staaten. Einen Fehler als solchen zu realisieren, ist nicht angenehm. Je schwerwiegender die Folgen eines Fehlers sind, desto schlechter fühlen wir uns. Fehler lösen Scham und Angst aus, erst Recht, wenn Außenstehende mit Spott, Zorn und Verachtung auf Fehler reagieren.

Dabei zeigt sich schon von Geburt an, dass es sich lohnt, nach Fehlern nicht aufzugeben. Wäre das nicht so, könnten wir nicht einmal laufen oder sprechen. Nach dem Fallen wiederaufzustehen, das Beste daraus machen, liegt also eigentlich in unserer Natur.

Leider gerät das im Laufe unseres Lebens irgendwann in Vergessenheit. In der Schule, in der Beziehung, im Studium, im Unternehmen - krampfhaft versuchen wir, Fehler zu vermeiden. Oder zumindest versuchen wir, Fehler geheim zu halten, gestehen sie nicht ein. Vor Freunden, Kollegen, Konkurrenten, der Familie oder sogar vor uns selbst. Schließlich warten doch alle nur darauf, mit dem Finger auf uns zu zeigen. Sucht man bei youtube nach „fail“, findet man etwa 46 Millionen Ergebnisse. So lange man nicht selbst betroffen ist, scheint das lustig zu sein.

FuckUp

Am besten machen wir keine Fehler. Aber wie geht das?

Wir scheuen Risiken und folgen dem Motto „Wer nichts macht, macht nichts falsch.“ Kreativität und neue Lösungsansätze haben so natürlich keine Chance. Wie sollen innovative Produkte auf den Markt kommen, wenn die Unternehmen plötzlich Angst hätten, ihr bewährtes Portfolio zu erweitern? Wie würde Dürers Feldhase aussehen, wenn der Maler Angst gehabt hätte, einen falschen Strich zu machen?

Wir können uns auch dem anderen Extrem hingeben, Perfektionismus. Nichts ist gut genug, alles ist irgendwie falsch und verbesserungswürdig. Dann überfordern uns und erhöhen die Risiken für Burnout und Depression.

Fehlervermeidungsstrategien dieser Art führen nur zu Druck, Stress und noch mehr Fehlern – Angst essen Seele auf.

Aber was soll man stattdessen tun?

Zu Fehlern stehen, darüber nachdenken, reflektieren, lernen, es besser machen – das liest sich schön, ist in der Praxis aber nicht angenehm.

Dabei gibt es (mindestens) drei gute Gründe, warum es sich lohnt, Fehler zu machen und offen damit umzugehen.

1. Weil wir daraus lernen

Ja, das ist eine Plattitüde, ist aber nun mal wahr. Es ist Zeit- und Energieverschwendung, krampfhaft neue Fehler zu vermeiden. Besser ist es, Fehler zuzulassen, zu ihnen zu stehen, sie zu analysieren. Das schützt nicht vor neuen Fehlern – bietet aber die Chance, alte Fehler nicht zu wiederholen.

Das ist der Kern einer guten Fehlerkultur: Fehler zulassen und Nutzen daraus ziehen. Das hat nichts mit Versage(r)n zu tun. Unsere Entscheidungen haben nicht immer die Ergebnisse zur Folge, die wir erwarten. Was tut man also am besten? Analysieren und es beim nächsten Mal nicht genauso machen, sondern anders, besser.

Trial and Error – das macht auch die Wissenschaft. Man versucht es eben so lange, bis es klappt. Wahrscheinlich haben unsere Vorfahren so auch neue Speisen entdeckt: Wenn der Höhlenmensch, der die unbekannte Frucht gegessen hat, nach einer Stunde umgekippt ist, sollten sich die anderen lieber eine bessere Nahrungsquelle suchen. Kirsche gut, Tollkirsche schlecht – wie sonst hätte man das früher herausfinden sollen?

Heutzutage sind die Folgen von Trial and Error zum Glück deutlich weniger dramatisch. Wissenschaftlich gesprochen geht es darum, ein funktionierendes Modell aus einer Reihe wahrscheinlich funktionierender Modelle herauszulösen. Ein Fehlschlag ist dabei ein Schritt zum Ziel.

Man muss keinen Laborkittel tragen, um aus Fehlern zu lernen. Es reicht schon, wenn man sich darauf einlässt, seine Fehler offen und ehrlich einzugestehen, zu analysieren und daraus abzuleiten, was man besser machen kann.

Es ist einen Versuch wert: „Ich habe in der Sache X dein Fehler Y gemacht, weil Z. Um das in Zukunft zu vermeiden, schlage ich ABC vor.“

Das ist nicht nur konstruktiv, sondern auch entwaffnend ehrlich.

2. Weil die Ergebnisse von Fehlern überraschend sein können

Nochmal zurück zur Wissenschaft, die im Umgang mit Fehlern quasi vorbildlich ist. Hier zeigt sich nämlich auch, dass Fehlschläge spannend sind. Was zunächst danebengegangen ist, ist auf den zweiten Blick nützlich. Fehler geschehen unerwartet, deswegen (er)kennen wir auch nicht immer alle Folgen sofort. Erfolg aus Versehen quasi.

Viele Erfindungen gehen auf Fehler zurück. Meißner Porzellan verdanken wir einem Alchemisten, der eigentlich Silber in Gold verwandeln wollte. Penicillin? Nur ein paar vergessene Bakterienkulturen, Schlamperei eines Mediziners. Post-its? Das Resultat eines missratenen Superklebers. Viagra? Sollte eigentlich die Durchblutung des Herzens verbessern.

Ein guter Beweis, dass man mit Fehlern nicht zu hart ins Gericht gehen sollte.

3. Weil Erfolge viel interessanter sind, wenn es davor einen Fehlschlag gab

So funktioniert jeder Hollywoodfilm. Wer würde denn ins Kino kommen, wenn Batman den Joker im ersten Versuch erwischt, James Bond Goldfinger beim ersten Treffen erschießt oder Rocky seinen Rivalen Creed direkt ausknockt?

Oder nehmen wir den Sport als Beispiel: Das Finale der Champions League 2005, Milan gegen Liverpool, gilt als eines der spannendsten, besten Spiele dieses Wettbewerbs. Warum? Weil Liverpool nach einem 0-3-Rückstand das Spiel noch drehte, am Ende im Elfmeterschießen gewann.

Fehler, Rückschläge, Hindernisse und Schlaglöcher machen solche Geschichten erst interessant. Zumindest, wenn auf den Rückschlag die passende Reaktion folgt. Batman in einer Kneipe sitzend, bei einem Schnaps über sein schlimmes Leben klagend und den Depressionen frönend, das würde auch nicht funktionieren. Der entscheidende Punkt, der einen Fehler „sexy“ macht, ist nämlich nicht der Fehler an sich, sondern die Reaktion darauf.

Wer nach dem Rückschlag nicht aufgibt, weitermacht und so am Ende doch einen Sieg erringt, dem gebührt Anerkennung. Ein Sieger, der mit Rückschlägen zu kämpfen hatte, erscheint uns oft sympathischer, zumindest aber interessanter, als ein makelloser Triumphator.

Wahrscheinlich, weil uns das menschlicher erscheint, wir uns damit identifizieren können. Fehler gehören eben dazu, bei jedem.

Es gibt also genug Gründe, Fehler und die Personen oder Umstände dahinter nicht zu verdammen.

Fehler sind …

… lehrreich, spannend und sind nicht immer mit negativen Folgen verbunden.

Wer also in Zukunft einen Fehler macht und sich schlecht dabei fühlt, sollte an Einstein denken, den FC Liverpool oder wenn es sein muss, an Viagra.

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